Dienstag, 19. Februar 2013

Die Ökonomie von Gut und Böse

Der gefeierte tschechische Ökonom Tomáš Sedláček, JG 1978, Lehrt in Prag, ist Chefökonom der grössten tschechischen Bank und Mitglied des nationalen Wirtschaftsrats.
Im internationalen Bestseller «The Economics of Good and Evil» denkt er die Ökonomie mithilfe der Kulturanalyse neu. Er habe 12 Jahre gebraucht um das Buch zu schreiben. Als Doktorarbeit wurde es an seiner Universität bisher abgelehnt obwohl seine anderen akademischen Schriften viel Anerkennung erhielten. Und im deutschsprachigen Raum hat er auch mit dem Übersetzungsfehler im Titel - 'Ökonomie' statt 'Ökonomik' - offenbar Erfolg.
Auf Grund des Interviews im TagesAnzeiger vom 27.12.2012 halte ich Folgendes fest:
Im Gedankengut des neuen Sterns am Ökonomenhimmel finden sich unreflektierte Glaubenssätze die direkt aus der Bibel der Tea Party stammen könnten. Vielleicht liegt da ein Hauptgrund für seinen schnellen Aufstieg an die Spitze. Die Beispiele:
  1. "Kapitalismus macht alles sehr effizient."
  2. Keynes prophezeite bereits in den 30igern, dass dank der wachsenden Produktivität bald nur noch 15 Std / W gearbeitet würde. "Wenn wir mit einem Einkommen zufrieden wären, das den 90igern entspricht, dann könnte man das auch tatsächlich tun."
  3. Warum arbeiten wir immer noch die ganze Woche? "Weil wir uns nicht für die Musse, sondern für mehr Wohlstand entschieden haben"
  4. "Die Rolle des Ökonomen besteht nicht darin, das Bruttosozialprodukt zu erhöhen. Die Stabilität des Wirtschaftssystems sollte seine erste Priorität sein."
  5. Auf der ganzen Zeitungsseite fehlt das Wort Gerechtigkeit und die Verteilung von  Eigentum und Einkommen wird mit keinem Wort angesprochen! (So kommt man offenbar auf die 'Erfolgs'schiene)
  6. Keine Anzeichen von einer Unterscheidung zwischen Kapitalismus und Marktwirtschaft
zu 1.
Eine der tödlichsten Lügen des Neoliberalismus. Die 'Effizienz' des Kapitalismus besteht bestenfalls in der effizienten Ausbeutung von Mensch und Natur - und der Massenvernichtung durch Hunger - und der Aufhäufung von Macht und Geld in den Händen ganz Weniger.
zu 2. und 3.
Scheint keinen Bezug zum Volk zu haben. Aus wohlhabendem Haus? Er spricht von der Angst vor der Ökonomie, scheint aber die berechtigte Angst vor dem Kapitalismus nicht zu kennen.
zu 4.
Die Stabilität höher gewichten als das Wachstum - Ok, gut. Aber die erste Priorität?
Ökonomen müssten Heute in erster Linie ein gerechtes, nachhaltiges Finanz- und Steuersystem erarbeiten und/oder zum Durchbruch verhelfen.  
Trotzdem: Vermutlich lohnt sich die Lektüre. Der Titel und wichtige Aussagen wie
  • Ökonomie macht den Menschen Angst
  • Kurzarbeit als Weg zur Überbrückung von Flauten
  • Die weichen Aspekte in der Ökonomie könnten wichtiger werden als die harten
lassen hoffen. Und seine vife, schlagfertige und durchaus phantasievolle Ausdrucksweise verspricht Lesevergnügen. Wobei das Angstmachende wohl eher vom Kapitalismus ausgeht und das Buch kann vielleicht etwas von der Restangst vor der Ökonomie nehmen - let's see.

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